»wir sind SWICA!«
Dieser jahrzehntealte Slogan einer Schweizer Gesundheitsorganisation ist, wie kürzlich publiziert, sprachmelodisch bearbeitet und getreu den vermeintlich vorherrschenden Kräfteverhältnissen im landesweiten Versicherungsobligatorium neu abgemischt worden.
Wer zahlt, befiehlt! Auf ein Neues! »wir sind SWICA!« klingt für mich inzwischen wie ein zur 5. Jahreszeit passender Narrenruf.
Gewiss macht sich die SWICA-Spitze Sorgen um das Wohl ihrer Prämienzahler, vorab der guten Risiken, die definitionsgemäss wenig medizinische Leistungen im Gesundheitssektor beanspruchen und so die Kassen füllen. Diese Geldquellen gilt es, strikte vor kostenintensiven Ansteckungen durch schlechte Risiken in pandemischen Zeiten zu schützen! Solche Vorkommnisse wären nicht mit einer nachhaltigen Sozialverträglichkeit vereinbar.
Die gefährdenden Mitglieder dieser gemeinnützigen Grossfamilie könnten als Konsequenz vorsorglich in den Long-Covid-Lockdown verbannt werden. Die Steigerung von #stay@home zu #die@home sozusagen. Warum nicht? Denn gemäss der SWICA gelten im Bedarfsfall Wiederbelebungsmassnahmen, sogenannte Reanimationen, als UUU (unwirksam, unzweckmässig, unwirtschaftlich)! Das pure Gegenteil von WZW (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) somit.
Als Leser fragen Sie sich vielleicht, wie ich zu meiner Einschätzung gelangt bin.
Ich muss gestehen, dass dies mein persönlicher Eindruck ist, den ich seit Mai 2020 aufgrund der an mich nahezu in der Kadenz einer feuernden Stalinorgel gerichteten und anhaltenden Vorwürfe bezüglich Tarifvergehen, Abrechnungsbetrügereien, Tarmed-Fehlinterpretationen und Übernotarztung / Überlungenfacharztung etc. gewonnen habe. Keinesfalls würde die SWICA ein solches Gedankengut auf ihrer Homepage verbreiten. Dort finde ich nur Loblieder und Selbstbeweihräucherung.
Seit Januar 2004, nach der Tarmed-Einführung, habe ich nahezu 500 (fünfhundert) Reanimationen zu jeder Tages- und Nachtzeit durchgeführt und medizinisch geleitet. Alle wurden Tarmed konform unter Berücksichtigung der Generellen Interpretationen (GI) sowie den Kumulationseinschränkungen gemäss den jeweiligen Tarifpositionen in der Besuchs- und Reanimationssitzung abgerechnet. Tatsächlich gilt die Reanimation gemäss GI-8 als separate Sitzung, für mich als freipraktizierenden Notarzt auf jeden Fall. Dieser Ansicht sind auch unabhängige Tarifexperten sowie Sachbearbeiter anderer Kostenträger bei allfälligen Nachfragen, selbst wenn dadurch pro Sitzung Notfallinkonvenienzzulagen plus allfällige Zeitzuschläge in unterschiedlicher Höhe anfallen. Doch die SWICA bleibt unbeirrt und zaubert aus dem Nichts eigene – für mich nicht fassbare – Tarifexperten, die das Gegenteil behaupten sollen. Somit wird die Expertenspirale angeheizt, eine üble und übliche Taktik einzelner Assekuranzen.
Das Gleichbehandlungsgebot im Versicherungsobligatorium wird hiermit unterlaufen. Pech für die SWICA-Versicherten, wenn sie aus Kostengründen nicht reanimiert werden dürfen, denn niemand im Gesundheitswesen arbeitet gratis, auch nicht die Pilotprojekt-Pflegeexpertinnen auf Hausbesuch mit 55 Kilo telemedizinischem Material im Schlepptau-Rolli. Darauf werde ich später zurückkommen (Narrenfreiheiten III).
Ich tröste mich immerhin damit, dass meine Wiederbelebungs-Erfolgsrate bezüglich Langzeit-Überleben ohne neurologische Schäden sowieso bescheiden ausfällt. Will man jedoch den einschlägigen amerikanischen Fernsehserien Glauben schenken, sollten wir Profiretter heutzutage in der Lage sein, selbst ein Skelett erfolgreich zu reanimieren, den Rest erledigen die Reproduktions- und Transplantationsmediziner. Ein solch glückliches Händchen fehlt mir leider in der Realität.
Falls Sie als SWICA-Familienmitglied partout, auch wenn der Tod anklopft, nicht reanimiert werden möchten, haben Sie wenigstens den richtigen Grundversicherer gewählt. Vielleicht bietet die SWICA diesen Todeswilligen ab Januar 2023 aus ihrem schier unerschöpflichen Fundus ein passendes Versicherungsmodell an, zum Beispiel mit dem illustren Namen »REA non grata«.
Fortsetzung folgt.
Dr. med. Rolf Schück
FA Pneumologie und Allgemeine Innere Medizin FMH
Notarzt SGNOR
FA Praxislabor etc.